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Die Wellblechgarage - eine Geschichte

"Januar 2001. Strahlend blauer Himmel, trotzdem frühlingshaft warm. Lange Foto-Spaziergänge: Windschiefe Gartenhäuschen und Schrebergarten-Installationen.
Dabei die Wellblechgarage entdeckt, fotografiert und Zettel hinterlassen:
Lieber Besitzer, falls Sie den Schuppen mal loswerden wollen, bitte nicht auf den Müll, ich habe Interesse. Scherieble, Tel.-Nr.

Wellblechgarage auf Obstbaumwiese

Ein Vierteljahr später - es war mein Geburtstag - ruft er an: Uns wär's recht, das Ding käme weg. Aber wir zahlen nix für's Abbauen.
Ich wollt nix für die Garage bezahlen, so waren wir schnell einig.

Wie kommt die Garage auf die Wiese?

Wir treffen uns vor Ort, ich frage: Wie kommt eigentlich die Garage mitten auf die Wiese? Geht ja nichtmal ein Fahrweg hin?
Er erzählt: Mein Onkel hat nach dem Krieg bei den Amerikanern gearbeitet. Da hat er ein kaputtes amerikanisches Auto organisiert und auf die Wiese gestellt. Als Gartenhäusle, dass man bei Regen wo rein konnte.
Der Feldschütz hat protestiert. Da hat mein Onkel dann die alte Garage ums Auto rumgebaut.

Ein Straßenkreuzer auf einer schwäbischen Obstbaumwiese? Ich hab damals kein Wort geglaubt.

Ein gutes Jahr später, beim Abbau: wir mussten graben, die Garage war teilweise eingesunken. Da haben wir dann ein Klappfenster, einen Schalthebel, ein Typenschild und Scherben vom Scheinwerferglas gefunden. Der Straßenkreuzer war ein 'Lincoln Zephyr, Modell 1936'.

Lincoln Zephyr 1936

Warum steht diese Geschichte in einem Katalog?

Also, eigentlich gehört diese Geschichte nicht in einen Ausstellungskatalog, denn die Garage steht ja nicht in der Galerie wegen dieser Geschichte, sondern weil ich aus altem Zeug Kunst mache.
Die Redakteurin aber meint, beim Finden von altem Zeug findet man immer mal wieder auch schöne Geschichten. Und das Finden gehört ja schließlich auch dazu. Außerdem sind schöne Geschichten im echten Leben dünn gesät, also kann man hier doch einfach mal diese schöne Geschichte erzählen. Recht hat sie.
Und sollte unter Umständen I R G E N D W E R ernsthaft die Frage aufwerfen wollen, was denn - bitte schön - eine rostige Wellblechgarage im ersten Obergeschoß einer Städtischen Galerie zu suchen habe, dem werde ich antworten: Wenn einer um einen auf der Wiese abgestellten Straßenkreuzer herum eine Garage bauen kann, dann baue ich um die Garage ein Museum drum herum." Drum.

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"Kornhausstrand" - ein Ausstellungsprojekt für die städtische Galerie im Kornhaus in Kirchheim u.T.
von Wolfgang Scherieble in Zusammenarbeit mit Florian Stegmaier, Kurator
Online-Katalog - Stand März 2007