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In der städtischen Galerie im Kornhaus in Kirchheim laufen die Vorbereitungen für eine ungewöhnliche Kunstausstellung. Der Esslinger Künstler Wolfgang Scherieble wird im Obergeschoss des Kornhauses Objekte zeigen und Installationen aufbauen unter dem Titel "Kornhausstrand". "Korn" steht für den Esslinger auch für den Begriff "Acker". Also zeigt er Teile von Ackergeräten, verwendet er Stroh und Lehm als bildnerisches Mittel. Als "Haus" dient Scherieble ein Fundstück aus Wellblech, das lange Jahre auf einer Obstbaumwiese stand. Jetzt wird der "Kunstcontainer" im Kornhaus aufgebaut, zuerst isoliert und verschlossen. Im Laufe der Ausstellung wird der Kunstcontainer umgebaut, zeigt darin deponierte Gerätschaften und Utensilien. Ein Prozess, den die in Wendlingen lebende Fotografin Silke Bässler mit der Kamera festhalten wird, so wie sie dies bereits in der Aufbauphase getan hat (Bild). In einem eigenen Bereich werden die Fotografien von Silke Bässler die Kunstwerke von Wolfgang Scherieble ergänzen. Eröffnet wird die Ausstellung am Mittwoch, 21. Februar, um 19 Uhr im Kornhaus. Der erste Akt der Ausstellung bleibt bis zum 28. Februar unberührt, dann startet die Umbauphase. Der zweite Akt wird am 9. März um 19 Uhr eröffnet. Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 18. März im Kornhaus dienstags von 14 bis 17 Uhr, mittwochs bis freitags von 10 bis 12 uhr und von 14 bis 17 Uhr und samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr.
sel/Foto: b2s-fotografie
Kreis Esslingen
Kunstprojekt in zwei Akten
KIRCHHEIM/Teck.
Eine Ausstellung in zwei Akten präsentiert der Esslinger Künstler Wolfgang Scherieble in Kirchheims städtischer Galerie. Im Mittelpunkt des Arrangements "Kornhausstrand" steht eine Wellblechgarage mit reichlich Vorgeschichte und Patina.
Von Gunther Nething
Die Garage stand einst auf einer Wiese droben auf der Esslinger Neckarhalde - und dort hat sich Scherieble in sie verguckt. Weil der 55-Jährige nach eigenem Bekunden "alte Sachen liebt", hat er nach der Entdeckung einen Zettel hinterlassen, man möge ihm den sperrigen und kariösen Veteranen überlassen - und die Besitzerfamilie Kaiser hat dem Wunsch dann auch entsprochen. Jetzt steht das Wellblechmonster im Obergeschoss des Kirchheimer Kornhauses, und das vorausgegangene kräftezehrende und logistische Transportkunststück hätte es eigentlich gerechtfertigt, von drei anstatt nur zwei Akten zu sprechen.
Scherieble hätte sich die Sache auch insgesamt leichter machen können. Denn schon allein mit den Detailfotografien von der Garage hätte sich locker eine Ausstellung bestreiten lassen, so reizvoll sind die pockennarbigen Türangeln und die genieteten Platten und Verstrebungen, die Wellblechstrukturen und die Spuren des Rostfraßes. Doch Scherieble, der unruhige künstlerische Geist, der bei Werner Klepser in die Steinmetzlehre ging und sich von Alfred Hrdlicka in die Geheimnisse der Bildhauerkunst einweihen ließ, der mit dem Tourneetheater Chawwerusch zehn Jahre durch die Lande zog und sich hauptsächlich ums Bühnenbild kümmerte, wollte mehr. Weil die Garage einst um einen Lincoln-Amischlitten des Jahrgangs 1936 herumgebaut worden sei, um den Feldschütz zu besänftigen, wolle er nichts Geringeres als um die Garage ein Museum bauen, verrät der Objektkünstler via Internet.
Zum Auftakt des ersten Aktes am Mittwochabend verharrte die Hütte als ¸¸Kunstcontainer" und bewahrte in sich all das, was nach einer "öffentlichen Umbauphase" vom 1. bis 9. März schließlich in den eigentlichen Kornhausstrand - und dem, was dahinter steckt - münden soll. An Hinweisen und handfesten Indizien zum Ausmaß des zweiten künstlerischen Streichs fehlte es freilich schon bei der Vorabvernissage nicht. Im Modell ließ sich das Kommende bereits ablesen, 30 Zentnersäcke mit Getreide aus der Hochdorfer Zinßermühle standen stramm Spalier, und Wolfgang Scherieble hatte dazuhin eine Fülle von Gerätschaften in Stellung gebracht.
Letztere griffen zwar unübersehbar das Thema Kornhausstrand und damit den agrarischen Genius Loci des einstigen herzoglichen Fruchtkastens auf, doch nicht nur Kurator Florian Stegmaier vom Kirchheimer Kulturring stellte sich bei der Begrüßung die Frage, ob die langstieligen Sägen und die massiven Bohrer, die gefährlichen "Pflugspieße" und die nagelbewehrten Dreschflegel den Waffen, den Werkzeugen oder gar Kultstücken zuzuordnen sind. Unstrittig sei indes, dass für den Künstler "die Auseinandersetzung mit Fundstücken" zentrale Bedeutung habe - und man von einem Genrebeispiel für die "arte povera", die arme Kunst, sprechen könne.
Scheriebles Schau dauert bis 18. März, Öffnungszeiten sind dienstags von 14 bis 17, mittwochs bis freitags von 10 bis 12 und 14 bis 17 sowie samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr. www.kornhausstrand.de
An dem Wellblechveteranen hat der Rost schon künstlerische Vorarbeit geleistet. Foto Horst Rudel
AUSSTELLUNG / Installationen und Objekte von Wolfgang Scherieble in der Städtischen Galerie im Kornhaus
FLORIAN STEGMAIER
KIRCHHEIM Ein Fundstück steht im Zentrum: eine malerisch patinierte, vom Zahn der Zeit schon angenagte Wellblechgarage, die lange Jahre auf einer Obstbaumwiese als Geräteschuppen diente, wurde von dem Esslinger Künstler Wolfgang Scherieble zum "Kunst-Container" umfunktioniert, der nun alles enthält, was zur weiteren Entfaltung seiner aktuellen Installation "Kornhausstrand" benötigt wird.
Die Ausstellung ist prozesshaft konzipiert. Im ersten Teil der Künstler spricht vom "ersten Akt" sind die diversen Materialien wie Stroh, Lehm, Teile von Ackergeräten, Strandgut und nicht weniger als dreißig Zentner Korn noch keimhaft verdichtet, als Potenzial anwesend, das seiner weiteren Entwicklung harrt. Jedoch ist dieser Anfangszustand weder Baustelle noch bloßes Materiallager, vielmehr sehen sich die Besucher einer raumgreifenden und raumbewältigenden Situation gegenüber.
Von Donnerstag, 1. bis Freitag, 9. März, schließt sich eine öffentliche Umbauphase an, in deren Verlauf Wolfgang Scherieble eine bühnenbildartige Installation entwickelt, die konsequenterweise im Rahmen einer zweiten Vernissage präsentiert wird. Die auf die darstellende Kunst verweisenden Begriffe wie "Bühnenbild" oder "Akt" sind beim Blick auf die Biografie des Künstlers durchaus angemessen. Wolfgang Scherieble ist nicht nur Steinmetz und studierter Bildhauer, er war auch etliche Zeit als Bühnenbildner und Schauspieler tätig, unter anderem beim renommierten Chawwerusch-Ensemble, das auch Kirchheimer Theaterfreunde noch in angenehmer Erinnerung haben dürften.
Charakteristisch für Wolfgang Scheriebles Kunst ist die Auseinandersetzung mit Fundstücken, mit vermeintlich einfachen Materialien. Möchte man seine Arbeit kunsthistorisch verorten, kommt man unweigerlich zur "arte povera". Mit dem Begriff der "armen Kunst" wird eine vor allem im Italien der 60er- und 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts in Erscheinung getretene Strömung bezeichnet, deren Einfluss aber nach wie vor in ganz Europa spürbar ist.
Ausgehend von einer stets reizvollen, zum Teil brachial, dann auch wieder subtil, geradezu lyrisch anmutenden Materialästhetik treibt Wolfgang Scherieble bei aller Ernsthaftigkeit auch ein ironisches Spiel mit seinen Betrachtern. Exemplarisch sei auf die im Galerieraum an einzelnen Orten versammelten "Seltenen Gerätschaften" verwiesen.
Sind es archaische Ackergeräte, sind es kuriose Waffen oder handelt es sich vielleicht um kultische Gegenstände alter, vergessener Riten? Die Artefakte verweigern sich hinsichtlich ihres Alters und ihrer Herkunft genauso, wie sie sich über ihre eigentliche Funktion ausschweigen. Vom Künstler verliehene Titel wie "Augspitz", "Schnäbler" oder "GötterkopfHabAcht" helfen da auch nicht weiter, regen aber zu eigenen Deutungen an.
Die Ausstellung "Kornhausstrand" mit Installationen und Objekten von Wolfgang Scherieble ist bis Sonntag, 18. März, im ersten Obergeschoss der Städtischen Galerie im Kornhaus zu sehen.
Im Rahmen der Ausstellung wird Bernhard Moosbauer am kommenden Mittwoch, 28. Februar, um 20 Uhr eine literarisch-musikalische Soirée mit Werken des französischen Barocks geben. Am Freitag, 9. März, wird dann um 19 Uhr der "zweite Akt" der Ausstellung offiziell eingeläutet.
Foto: Jean-Luc Jacques
"Kornhausstrand" - ein Ausstellungsprojekt für die städtische Galerie im Kornhaus in Kirchheim u.T.
von Wolfgang Scherieble in Zusammenarbeit mit Florian Stegmaier, Kurator
Online-Katalog - Stand März 2007