Navigation überspringen und zur Seitenüberschrift gehen.

Presse

Wendlinger Zeitung vom 12.03.2007

Wendlinger Zeitung

 

Der Strand als Zone zwischen Land und Meer

Wolfgang Scherieble zeigt in Kirchheim das Projekt "Kornhausstrand" - Die Fotokünstlerin Silke Bässler dokumentiert mit der Kamera

KIRCHHEIM. Installationen und Objekte des Esslinger Künstlers Wolfgang Scherieble zeigt der Kulturring Kirchheim im Obergeschoss des Kornhauses bereits seit 21. Februar. Scherieble, der Steinmetz, Bildhauer, Schauspieler und Bühnenbildner, hat in einem ersten Akt seinen Kunst-Container, eine alte Wellblechgarage, aufgestellt und mit zunächst unsichtbaren Gegenständen gefüllt. Nach und nach hat Wolfgang Scherieble den Kunst-Container geöffnet und in vielen Schritten zum Kornhausstrand umgebaut. Ergänzt wird die bis 18. März dauernde Ausstellung von Arbeiten der Wendlinger Fotokünstlerin Silke Bässler, die Scheriebles Umbau vom Container zum Kornhausstrand, also den ersten Akt der Ausstellung, mit der Kamera dokumentiert hat.

CHRISTA ANSEL

Florian Stegmaier, Kurator des Kirchheimer Kulturrings, sprach bei der Eröffnung des zweiten Aktes von Wolfgang Scheriebles Auseinandersetzung mit Fundstücken, vermeintlich einfachen Materialien, von Scheriebles Kornhausstrand, der sich wie ein Bühnenbild präsentiert.
Im zweiten Akt also zeigt Wolfgang Scherieble den Kornhausstrand und das dahinter: Der Strand (aus Getreidekörnern), als Zone zwischen Land und Meer, wo das Feste auf das Fließende, das Begrenzte auf das Unendliche, der Mensch und sein Acker auf das Meer trifft.
Hinter dem Strand, also hinter den zum Bühnenbild gruppierten Einzelteilen der Wellblechgarage, geht es landeinwärts. Geöffnet wird der Blick auf ein Labyrinth aus formalem Spiel und abgründigen Bildern. Stroh, Lehm, Teile von Ackergeräten werden als skulpturale Rohstoffe verwendet. Der Besucher, so Stegmaier, werde konfrontiert mit seltenen Gerätschaften, archaischen Ackergeräten. Bei aller räumlicher Abtrennung sieht Stegmaier einen Zusammenhang zwischen dem Strand und der Welt dahinter. Das eine scheine aus dem andern hervorzugehen. Als verbindende Kontinuität sieht Stegmaier hier vor allem die durchgehende Materialästhetik.
Für Besucher, die den ersten Akt der Ausstellung versäumt haben, hat die Wendlinger Fotokünstlerin Silke Bässler den sich verändernden Prozess vom Kunst-Container zum Kornhausstrand mit eindrucksvollen Fotografien dokumentiert.
Ein besonderes Bonbon servierte am Freitagabend der Komponist und Musiker Xaver Paul Thoma gemeinsam mit Roland Heuere, Ikuko Nishida-Heuer und Stefan Koch-Roos zeitgenössische Kammermusik. Und dabei war das Stück Schwingungen von 14 Saiten eigens für diesen Abend im Kornhaus vom Komponisten geschrieben und uraufgeführt worden.
Wolfgang Scheriebles Kunstprojekt Kornhausstrand beim Kulturring Kirchheim ist bis 18. März zu sehen. b2s-fotografie  

zum Seitenanfang

 

Der Teckbote vom 13.03.2007

 

KORNHAUSSTRAND / Zweite Vernissage nach neuntägiger öffentlicher Umbauphase

Malerisch-morbide Wellblechgarage ent-faltet
 

Florian Stegmaier
 

KIRCHHEIM Kornhausstrand, zweiter Akt: Eine bühnenbildartige Situation mit Getreide, Strandgut und patiniertem Wellblech, dahinter ein Labyrinth aus formalem Spiel und abgründigen Bildern. Teile von Ackergerätschaften wurden als skulpturaler Rohstoff verwand und mutierten so zu einem altersschwachen Arsenal kurioser Waffen.
Im Zuge einer neuntägigen öffentlichen Umbauphase entwickelte der Esslinger Künstler Wolfgang Scherieble diesen installativen Eingriff, der konsequenterweise dem Kunstpublikum im Rahmen einer zweiten Vernissage präsentiert wurde.
Die zum Kunstcontainer erklärte malerisch-morbide Wellblechgarage - zentrales Objekt des ersten Ausstellungs-Aktes - wurde "ent-faltet"; man spricht auch von einer "Abwicklung", und diese zieht sich nun diagonal raumteilend durchs historische Gebälk. Scherieble, der bei Alfred Hrdlicka studiert hat und auf etliche Jahre Erfahrung als Bühnenbildner und Schauspieler zurückblicken kann, thematisiert abseits von jedlichen Dogmen oder moralischen Fingerzeigen elementare menschliche Erfahrungen.
Die Idee des Strandes inszeniert er als Freiraum, als Zone, in der das Feste auf das Bewegte, das Begrenzte auf das Unendliche, der Mensch und sein Acker auf das Meer trifft. Spuren dieser Begegnung sind angeschwemmte Objekte, Strandgut, das seine eigene, wenn auch unerzählte Geschichte birgt.
Hinter dem Strand, landeinwärts, wird der Besucher beim Erkunden der Installation konfrontiert mit Scheriebles "Seltenen Gerätschaften". War zu Beginn des Ausstellungsprojekts noch nicht klar, ob es sich bei diesen archaischen Gegenständen um Kultobjekte, Waffen oder landwirtschaftliches Instrumentarium handelt, entpuppen sie nun im zweiten Akt sehr viel deutlicher ihren doppelbödigen, martialischen Gehalt. So stehen sie etwa im Kontext mit von der Decke hängenden Objekten, die sich beim Durchgang durch die Ausstellungssituation - zumindes ist dies ein möglicher Deutungsstrang - immer mehr als Folterinstrumente herauszustellen scheinen, oder mit der ironisch betitelten Arbeit "mit Rosen bedacht" - einer Egge, die wie ein Damoklesschwert über eine hölzernen Bahre schwebt.
Bei aller räumlicher Abtrennung sind diese beiden Welten, der Strand und das abgründige "Dahinter", keine völlig zusammenhanglos nebeneinander existierenden Welten, vielmehr scheint das eine aus dem anderen hervorzugehen. Als wesentlichstes Element einer verbindenden Kontinuität kann die durchgehende Materialästhetik empfunden werden, die mal brachial, dann auch wieder ganz subtil und malerisch daherkommend, den Betrachter immer im Sinne der Vanitas anspricht.
Die Vanitas - die Vergeblichkeit, die menschliches Tun als eitlen und vergänglichen Schein entlarvt - ist ein zentrales Faszinosum der Arbeiten von Wolfgang Scherieble, das sich schon aus der spezifischen Beschaffenheit seiner bevorzugten Materialien ergibt. Meist handelt es sich dabei um vermeintlich "einfache" Fundstücke im Sinne der "arte povera", einer wichtigen, in den 60er- und 70er-Jahren in Italien boomenden, aber immer noch aktuellen Kunstströmung, der sich Scherieble verbunden fühlt.
Was allerdings auf diese Weise allzu einseitig in ein groß angelegtes Memento mori kippen könnte, wird von einem strets präsenten, feinen und ironischen Sinn für Humor, der oft ganz unterschwellig lauert, aufgefangen. Dazu sei nur auf das "altkretische Navigationsgerät" verwiesen, eine individuelle ironische Annäherung an den Mythos von Theseus und Ariadne und ihren roten Faden.
Durch die Mitwirkung des seit einigen Jahren in Kirchheim ansässigen Komponisten Xaver Paul Thoma geriet die Vernissage zum zeitgenössischen konzertanten Ereignis. Gemeinsam mit Roland Heuer und Ikuko Nishida-Heuer (beide Violine) und Stefan Koch-Roos (Gitarre), alle Musiker sind Mitglieder des Würrtembergischen Staatsorchesters Stuttgart, bescherte Thoma den zahlreichen Besuchern gleich zwei Uraufführungen, darunter das eigens für diesen Anlass geschriebene Stück "Schwingungen für 14 Saiten".
Der gesamte Ausstellungsprozess - erster Akt, Umbauphase als Intermezzo und zweiter Akt - wurde von der Wendlinger Fotokünstlerin Silke Bässler dokumentiert. Ihre Arbeiten sind noch bis zum Ausstellungsende am Sonntag, 18. März, im ersten Obergeschoss der Städtischen Galerie im Kirchheimer Kornhaus zu sehen.
Zum Projekt "Kornhausstrand" wurde ein Online-Katalog eingerichtet, den Interessierte unter der Internetadresse www.kornhausstrand.de auch über die zeitlichen Grenzen der Ausstellung hinaus einsehen können.

zum Seitenanfang

 

Eßlinger Zeitung vom 14.03.2007

 

"Die Dinge finden mich"
 

ESSLINGEN: Der Bildhauer Wolfgang Scherieble wandelt Fundstücke in tiefgründige Installationen - Gegenpart zur Ästhetik unserer Zeit
 
Von Gaby Weiß

 
Als er eines Tages die Obstbaumwiesen an der Neckarhalde durchstreifte, entdeckte Wolfgang Scherieble eine alte Wellblechgarage. Er hinterließ einen Zettel, dass er an dem Schuppen interessiert sei, ein halbes Jahr später meldeten sich die Besitzer und Scherieble durfte die rostige Hütte abbauen. Nun spielt die Wellblechgarage in der Galerie im Kirchheimer Kornhaus eine gewichtige Rolle, wo der Esslinger Bildhauer, Objektkünstler, Bühnenbildner und Schauspieler derzeit sein Ausstellungsprojekt "Kornhaus strand" zeigt.
Der Onkel des Wiesenbesitzers hatte einen fahruntüchtigen US-Schlitten als Gartenhäusle-Ersatz auf die Wiese gestellt. Und weil das herrenlose Gefährt dem Feldschütz missfiel, baute der Onkel kurzerhand drumrum besagte Wellblechgarage. Wolfgang Scherieble wollte diese Geschichte kaum glauben - bis er beim Abbau der zum Teil in der Wiese versunkenen Garage tatsächlich auf Klappfenster, Schalthebel und Typenschild eines Straßenkreuzers Marke Lincoln Zephyr stieß.

"Aus altem Zeug Kunst machen"
Das Finden schöner Geschichten ist ein willkommenes Nebenprodukt eines Künstlers, der seine Objekte aus gefundenen Sachen baut, „weil ich gern aus altem Zeug Kunst mache. Die Dinge finden mich, ich sehe alte Sachen und will nicht, dass sie auf den Müllplatz kommen“. Er kann sich an der Jahrzehnte alten Patina und der schillernden Farbigkeit des vom Rost zerfressenen Metalls der Garage freuen: "Aber es ist nicht nur schön. Es ist ambivalent, und zeigt die Vergänglichkeit. Das Material, obwohl selbst nicht lebendig, erinnert uns daran, dass wir sterblich sind."
Bewusst setzt Scherieble mit seinen künstlerischen Arbeiten einen Gegenpart zur Ästhetik unserer Zeit: „Heute muss alles jung, schön, modern, Hochglanz oder Edelstahl sein.“ Der Künstler glaubt keineswegs, dass er mit seinen Arbeiten die Welt verändern kann, aber er bezieht Position: Indem er die Wellblechgarage, die im Freien längst zusammengerostet wäre, ins Museum stellt, wird der Schuppen ein anderer. "Dadurch dass ich sage, das ist Kunst, kriegt er einen Wert. Man nimmt ihn im Museum anders wahr, als wenn er auf der Wiese steht."

Ausstellung regt zum Gespräch an
Scherieble freut sich, wenn er in seinen Ausstellungen mit Menschen ins Gespräch kommt: "Das ist meist sehr interessant. Und das muss überhaupt nicht abgehoben sein. Oft wecken meine Arbeiten Erinnerungen an Erlebtes in den Betrachtern. Manche sind aber auch verunsichert, weil sie so überhaupt nicht in ihre Kunst-Schublade passen."
Der Wechsel bestimmt Scheriebles Leben: In Esslingen aufgewachsen, absolvierte er in der Bauhütte der Frauenkirche eine Ausbildung zum Steinmetz und legte die Meisterprüfung ab. Anstatt als Handwerker sesshaft zu werden, schrieb er sich an der Kunstakademie Stuttgart ein und studierte bei Seemann und Hrdlicka Bildhauerei. Über die Friedensbewegung und den Wunsch, Stellung zu beziehen, kam er zum politischen Straßentheater. Gemeinsam mit seiner jetzigen Frau ließ er sich von Menschen ihre Geschichten erzählen, schrieb daraus Theaterstücke und zog damit schauspielernd über die Schwäbische Alb. Nach kleineren Rollen an der WLB wechselte er zum "Chawwerusch"-Theater nach Herxheim in die Pfalz. Zehn Jahre lang machte er dort Bühnenbilder, spielte immer wieder Rollen und entwickelte JancoW., eine eigene Bühnenfigur.
In der Auseinandersetzung mit Dada Zürich für ein Theaterstück dort bekam er wieder Lust, selbst künstlerisch tätig zu sein: "Aber das Alte, die klassische Bildhauerei, habe ich dafür nicht mehr hervorgeholt." Wolfgang Scherieble beginnt mit Materialcollagen und Objekten - nach einem halbjährigen Bildhaueraufenthalt auf Gran Canaria entscheidet er sich 2000 ein weiteres Mal für den Wechsel: Er kehrt als freier Bildhauer nach Esslingen zurück. Für ihn selbst überraschend, entstanden in der Vorbereitung der Kirchheimer Ausstellung erstmals wieder figürliche Arbeiten: "Das kam einfach so zutage, wie vieles im Leben sich einfach so ergibt."
www.kornhausstrand.de
www.jancow.de

AUSSTELLUNG "KORNHAUSSTRAND" IN DER KIRCHHEIMER GALERIE
Die Wellblechgarage von der Neckarhalde spielt in Wolfgang Scheriebles Kirchheimer Ausstellung „Kornhausstrand“ eine zentrale Rolle. Im ersten Teil, der bis 1. März zu sehen war, barg sie als Kunstcontainer Objekte, Materialien und Werkzeug. In einer Umbauphase wurde die Garage in Einzelteile zerlegt und bildet nun, im zweiten Teil der Schau, das Dahinter. "Behind the Wall" findet sich eine Hommage an den Acker und das Bodenständige, bäuerliches Arbeitsgerät und allerhand Fundstücke. Scherieble hat sie ummontiert und zu gedankenvoll-abgründigen Skulpturen verfremdet. 30 Zentner Getreide bilden davor den „Kornhausstrand“, wo auch die Fluss-Zeichen, die einst während "Stadt im Fluss" unterhalb der Agnesbrücke schwammen, wieder auftauchen. Dieser Strand ist für Scherieble Freiraum, "die Zone zwischen Meer und Land, die sich ständig verändert, wo das Feste auf das Fließende trifft, das Begrenzte aufs Unendliche". Die Ausstellung ist bis 18. März in der Städtischen Galerie im Kornhaus Kirchheim zu sehen. Am 15., 16. und 17. März ist der Künstler anwesend. gw

zum Seitenanfang

"Kornhausstrand" - ein Ausstellungsprojekt für die städtische Galerie im Kornhaus in Kirchheim u.T.
von Wolfgang Scherieble in Zusammenarbeit mit Florian Stegmaier, Kurator
Online-Katalog - Stand März 2007